Reisebericht 2001 Marc

Die schönsten Tage des Jahres?
- Reisebericht von Marc Naumann / St. Petersburg 2001 -


Wo soll ich die schönsten Tage des Jahres verbringen? Am Strand liegen und nichts tun oder lieber etwas erleben? Eine Städtereise ist wohl der geeignete Mix. Die Stadt St. Petersburg soll sehr schön sein. Einen Urlaub in Russland? Verwunderung oder auch Inte­resse hörte ich von meinen Freunden, wenn ich von dieser Idee erzählte. Somit wandte ich mich an einen Bekannten, den Krankenhauspfarrer Michael Schaefer aus Lebach. Er unterstützt ein Projekt mit Straßenkindern in St. Petersburg. So wurde die Idee, eine Stadtbesichtigung mit dem Besuch der Heime zu verbinden, geboren.
Einige Wochen später ging es endlich von Frankfurt a. M. nach St. Petersburg. Viele unterschiedliche Vorstellungen gingen mir durch den Kopf. Ein genaues Bild ist dabei nicht entstanden. Schon bei der Landung stellte sich Verwunderung ein. So ein kleiner Flughafen für solch eine große Stadt? So als ob Paris einen Flughafen hätte, der nur so groß wäre wie der in Saarbrücken. Der Fehler, mit westlichem oder gar deutschem Verständnis Gegebenheiten aufzufassen, wurde mir noch mehrmals zum Verhängnis. Erst langsam lernte ich die Fragen, warum?, weshalb? nicht mehr zu stellen. Die Antworten waren immer die gleichen: Es ist halt so! Um die russische Kultur möglichst nah zu erleben, wurde ein Hotelaufenthalt von vorneherein ausgeschlossen. Die Heimleiterin des Kinderheimes für Straßenkinder, bot sich gerne als Gastgeberin an.
Der 10-tägige Aufenthalt hatte für mich zwei Seiten. Auf der einen Seite die Besichtigung der Sehenswürdigkeiten, auf der anderen der Kontakt mit den caritativen Einrichtungen. Viele Sehenswürdigkeiten sind schon restauriert und wirklich eine Reise wert.
Die andere Seite der Reise war nicht minder beeindruckend. Hier glänzte nicht das Gold, dafür jedoch das starke Engagement der Helfer. Eine kleine Gruppe von deutschen Stu­denten in St. Petersburg hat sich bereits seit einigen Jahren der Unterstützung von Hilfs­bedürftigen gewidmet. Nach deutschen Vorstellungen wäre sicherlich ¾ der russischen Bevölkerung hilfsbedürftig. Aufgabe war es also, den Ärmsten der Armen zu helfen, beispielsweise den Straßenkindern. Sie kommen oft aus zerrütteten Familienverhältnissen und es fehlt ihnen jegliche Perspektive. Mittlerweise ist es jedoch auch aufgrund der Spenden, die Pfarrer Schaefer sammeln konnte, möglich geworden, eine Wohnung anzumieten und in ein Heim umzufunktionieren.
Dieses Heim wird jetzt schon seit vier Jahren von Herrn Schaefer unterstützt und kann sich mittlerweile alleine durch diese Spenden tragen.
So war es auch natürlich, täglicher Usus, dort vorbeizuschauen. Ich war sehr überrascht, wie schnell ich von den Kindern aufgenommen wurde. Innerhalb von zwei Tagen war ich kein Besucher mehr, sondern Bestandteil der Einrichtung. Die Kinder und das Personal sind sehr froh, wenn sie ihren Dank und ihre Gefühle an die „Botschafter“ der Spender äußern können. Nicht nur die Spender möchten sehen, wofür ihr Geld gebraucht wird, sondern auch die Empfänger ver­binden gerne konkrete Personen mit den Spenden. Durch dieses Heim besteht wenigstens für einige Jugendliche die Chance auf ein „normales“ Leben. Nach einigen Jahren können nun schon die ersten Erfolge verzeichnet werden. Über 60 Jugendliche haben bisher eine Berufsausbildung abgeschlossen, einen Arbeitsplatz gefunden oder sogar ein Studium begonnen.
Mein Besuch diente auch dazu, einen Haushaltsplan für 2002 mit aufzustellen und besondere Investitionen zu besprechen. Es brennt jedoch an vielen Stellen. So besuchte ich neben diesem Kinderheim noch einige andere Einrichtungen.
Die ehemaligen Studenten, die diese Sache ins Rollen brachten, haben sich schon vor Jahren zu einem gemeinnützigen Verein zusammengeschlossen (Perspektiven e. V.) und löschen das Feuer auch an anderen Punkten.
So betreuen sie z. B. ein Kinderheim für behinderte Kinder oder ein Heim für behinderte Erwachsene. Die Zustände in diesen Heimen sind unvorstellbar. In einem Gebäudekom­plex sind 600 Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht. Kleiderschränke, per­sönliche Kleidung oder Privatsphäre sind nicht vorhanden. Eine persönliche Betreuung der Heimbewohner ist nicht möglich, es reicht lediglich für eine Notversorgung der menschli­chen Bedürfnisse. Der Verein Perspektiven e. V. hat mittlerweile einige Projekte begonnen und mit kleinen Schritten schon beachtliche Erfolge erzielt. Doch auch hier gibt es noch einiges zu tun.
Wenn Sie die Arbeit von Pfarrer Schaefer in dem Verein Perspektiven e.V. unterstützen würden, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Aufgrund der sehr niedrigen Verwaltungskosten kann fast jeder gespendete Euro direkt zur Unterstützung eingesetzt werden.
Am Ende der Reise war schnell klar: Das waren die schönsten Tage des Jahres! Einen kleinen Teil hat sicherlich die schöne Stadt St. Petersburg dazu beigetragen, jedoch den wesentlich größeren Teil die Hilfe, die durch die Spenden möglich war und die Unterstüt­zung vor Ort.


Marc Naumann